Langsam schlenderte ich an dem Strand Nassaus entlang und sah auf das Meer hinaus. Meine Lockenmähne hatte ich nicht gebändigt und ließ sie einfach von der salzigen Luft durcheinander wehen. Es war früher morgen und ich ging in Richtung der Docks. So war es doch recht angenehm. Die Sonne hatte noch kaum die Kraft angesammelt, die sie am Mittag ausbreiten würde. Meine Hand lag auf den Knauf meines Schwertes. Schließlich wusste ich nicht, welche Gestalten hier herum lungerten. Aber daran hatte ich mich gewöhnt. Der Wellen liefen an dem weißen Sand aus und ich sah zu den Schiffen, die hier ankerten. Wenn es sein musste, würde ich irgendwann wieder ein paad Gefallen einholen und mich auf eine andere Insel bringen lassen, damit ich mich dort erkundigen konnte. Jedoch war dies noch nicht nötig. Aber vielleicht bald. Zudem dachte ich darüber nach, ein paar Spitzel zu rekrutieren. Vor einigen Wochen hatte ich vier an ein Schiff unter englischer Flagge verloren.

Ich stand am Strand in der Nähe der Docks und hatte mein Fernglas auf die offene See gerichtet. Das Wetter war an diesem Morgen absolut klar und bis auf eine gelegentliche Brise war es nahezu windstill. Wir waren erst am gestrigen Abend wieder in Nassau angekommen, nachdem wir fast drei Monate auf See verbracht hatten. Einige Seemeilen vor Nassau waren wir einer Flotte britischer Kanonenboote begegnet. Es war eine kurze Schlacht gewesen, denn die Boote hatten einem Schiff wie der Rapture nichts entgegenzusetzen. Dennoch hatten einige meiner Männer Verletzungen davon getragen und waren seit gestern im Lazarett.
Ich war mir sicher dass sie schon wieder genesen würden, meine größte Sorge galt eher den briten. Kanonenbooten waren wie gesagt größtenteils ungefährlich, doch hätten es genauso gut Vorboten einer weitaus größeren Flotte sein können.
Ich schob das Fernglas zusammen und seufzte tief. Bryson hatte recht, vielleicht machte ich mir auch unnötig Gedanken und die Boote waren nur zufällig da gewesen.
Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr und wandte meinen Kopf in Richtung Anastasia Johnson, die scheinbar einen Morgenspaziergang machte. Ich hatte öfter mal mit ihr zu tun, denn sie war jemand der seine Augen und Ohren scheinbar überall in der Karibik hatte. Sie hatte mir schon des öfteren wertvolle Informationen liefern können.
"Guten Morgen, Miss Johnson!" rief ich ihr zu und winkte sie zu mir. "Ihr habt nicht zufällig etwas von euren Spitzeln bei den Briten gehört?"
Eine weibliche Stimme riss mich aus den Gedanken und mein Blick fand schnell ihren Ursprung. Die Frau auf dem Zweimaster erkannte ich als Elizabeth Sutton und ein lächeln glitt über meine Lippen. Dass sie hier waren wusste ich. Kein Schiff und kein Boot legte hier in Nassau an, ohne dass ich es wusste. Meist wusste ich es noch bevor sie ganz überhaupt angefangen hatten zu ankern.
Elizabeth Sutton lief mir in ihrer Position doch schon öfter über den Weg und ich empfand sie als eine sehr unterhaltsame Person. Genauso wie ich schien sie sich gegen die Männerwelt durchzusetzen. "Captain Sutton, einen schönen guten Morgen wünsche ich auch Ihnen." Ihrer Aufforderung kam ich natürlich nach und nickte. Schnellen Schrittes trat ich zu ihr heran. "Nun, wenn es nicht um die Hinrichtung vierer meiner Männer geht, gibt es nicht sonderlich viel." Mein Blick ging auf das Meer hinaus.

"Hinrichtung?" fragte ich und runzelte die Stirn. "Als wir in Kingston waren habe ich schon gehört, dass einige Piraten gefangen genommen wurden. Zu dumm dass es auch noch eure Spitzel getroffen hat."
Ich blickte wieder aufs Meer hinaus und schlug dabei leicht mit dem Fernglas gegen meine Handfläche. Die Briten waren schon immer gegen uns gewesen und so tragisch es auch war, es war normal dass sie Gefangene machten. Streng genommen taten wir ja auch nichts anderes, sollte es zu einer feindlichen Begegnugn kommen. Keiner zeigte wirklich Gnade, das war wohl die Natur der Sache.
"Habt ihr schon neue Männer los geschickt? Ich kann mir vrostellen dass es recht schwierig ist, Freiwillige zu finden."
Leicht hob ich meine Schultern. So gut es ging, hielt ich diesen Männern und Frauen den Rücken frei. Jedoch gab es niemanden in meinem Leben, dem ich eine Träne nachweinte. "Ja. Man hat sie gehängt", antwortete ich. "Ich weiß. Es war ihre eigene Dummheit", ließ ich nur noch zum Thema der gefangenen Piraten fallen. "Nein. Es wäre zu auffällig nun dort neue Leute auszusenden. Sie würden viel zu schnell entdeckt werden und ich will meine restlichen Spitzel in diesem Haus nicht in Gefahr bringen." Sonst hatte ich dort niemanden mehr. Das wäre ein Verlust meiner Macht gewesen. "Der Hass den Briten und Spanier gegenüber spielt mir in die Hände. Es ist nicht schwer Sklaven oder Ureinwohner dazu zu bringen, ihre Peiniger zu verraten. Schwieriger hingegen schon einen Briten oder Spanier für sich zu gewinnen." Ich amtete tief ein. "Es ist ein Konvois der Briten unterwegs, der in drei Wochen eure Gewässer durchquert."

Ich nickte. Sie hatte vollkommen Recht. Die Briten und auch die Spanier waren jedem gegenüber, der ihre Städte erreichte misstrauisch eingestellt. Ich erfuhr das immer wieder, wenn wir an Land gingen. Meist ankerten wir etwas entfernt von den Häfen und legten den Rest der Strecke mit dem Ruderboot zurück. Zwar erkannten die meisten uns und das Schiff nicht sofort, aber wir mussten trotzdem immer auf der Hut sein. Schon oft waren wir kurz davor gewesen, verhaftet zu werden.
"Solange Menschen nach Freiheit streben werden wir nie zu wenig Anhänger haben" bestätigte ich ihre Worte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Die Zahl derer, die sich uns anschlossen wuchs stetig, doch gab es auch immer wieder welche, deren Angst vor den Briten oder Spaniern größer waren. Doch diese waren schon allein deswegen nicht Manns genug unserer Sache zu dienen.
Als Anastasia den britischen Konvoi erwähnte, runzelte ich die Stirn. "Daher wohl auch die Kanonenboote, die uns auf den Weg hierher in die Quere gekommen sind. Wisst ihr ob es ein militärischer Konvoi ist?"
Meine Hand fuhr mir durch die schwarzen Locken. "Jedoch werde die Spanier und Briten nicht gnädiger. Es kommt mir so vor, als hingen immer mehr von euch. Und ich will nicht wissen, wie lange Nassau in unserer Macht steht. Für die kolonialen Mächte sind wir ihnen ein Dorn im Augen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit und ich möchte nicht darüber nachdenken, welcher Angriff schlimmer sein wird. Der der Britten oder der Spanier." Oder im schlimmsten Falle, dass sie für diesen Angriff ihre Fehden begraben würden. Ich hätte kein Problem von hier zu entkommen. Andere würde es härter treffen.
"Es scheint so", antwortete ich, "Ja. Sie haben zehn auch Sklaven an Bord. Sie gehören zu mir."

Ihre Worte waren in gewisser Weise wahr, jedoch war ich überzeugt davon, dass wir uns gegen unsere Feinde zur Wehr setzten konnten. Alle hier waren fest entschlossen Nassau zu verteidigen und wir hatten den Spaniern und Briten eines vorraus: Denn Willen zu kämpfen. Für uns und für unsere Sache. Die Soldaten Britanniens und Spaniens kämpften ledgilich für ihren Sold. Ihnen fehlte die Leidenschaft und der Wille und deshalb würden sie uns immer unterlegen sein.
Trotzdem war ein nahender Militärkonvoi keine gute Nachricht. Zwar glaubte ich kaum, dass die Briten einen Angriff planten, doch mit Sicherheit war der Konvoi dazu bestimmt, Waffen und Munition an unsere Feinde zu liefern. Die Sklaven waren dabei nur Beigut.
"Wir werden uns schon etwas gegen sie überlegen." versicherte ich Anastasia. "Notfalls segeln wir ihnen mit ein paar Schiffen entgegen und sehen sie uns an." Bei diesen Worten huschte ein kaltes Lächeln über mein Gesicht. Einen Konvoi anzugreifen war nicht einfach, aber hatte man Erfolg lohnte es sich doppelt.
"Wart ihr vielleicht bei meinen Männern im Lazarett? Ich habe gehört ihr helft unserem Arzt aus."
Ich fragte mich, ob wir es jemals schaffen würden, in Freiheit und offen zu leben. Und wenn wir dies schafften, was passierte dann. Es gab viele, die die Macht übernehmen könnten. "Wie steht Ihr zu dem königlichen Pardon? Und viel mehr, wie steht Eure Crew dazu?", fragte ich. Es gab einige Piraten, die der Piraterie den Rücken zu kehrten. Feiglinge, in meinen Augen.
"Das hoffe ich, jedes Schiff, was den Harfen dort sicher erreicht, macht sie etwas stärker." Ich schenkte ihnen keine Hand breit Erfolg und wenn es das hieß, meinen eigenen Großvater umzubringen.
Elizabeth Sutton sprach ihre Verwundeten an und ich musste leise lachen. "Wieso? Sprach sie von mir?", stellte ich ihr eine Gegenfrage, "Von der Frau, die mit den Ratten, Fischen und Vögeln spricht, damit sie Information bekommt." Die Männer dort erzählten sich viele Geschichten über mich. Sie entsprangen der blühenden Fantasie und den Fieberträumen. Nichts davon war wahr.

Als sie das Pardon des Königs erwähnte, lachte ich freudlos auf. "Wenn es nach mir ginge könnte sich unser guter Georgie mit seinem Pardon den königlichen Hintern abputzen. Er will es sich damit nur einfach machen und leider gibt es genug Dummköpfe, die sich darauf einlassen. Kein Mitglied meiner Crew ist für das Pardon und wenn ich hören sollte, dass einer von ihnen mit den Briten liebäugelt, verschwindet er schneller vom Deck meines Schiffes als er das Wort Pardon überhaupt aussprechen kann."
Nichts hasste ich mehr als Verräter und all jene, die das Pardon des Königs annahmen waren für mich auch nicht mehr als das. Wer sich auf die Seite der Briten schlug, war mein Feind und wurde auch genauso behandelt.
Als sie anfing zu lachen, schmunzelte ich lediglich leicht. "Nein, das nicht. Ich hatte nur gedacht dass ihr vielleicht nach ihnen gesehen habt. Glaubt mir, sie halten euch kaum für eine Hexe oder Ähnliches. Lediglich für eine Schwätzerin. Sie sehen es eben nicht gerne ein, wenn die Informationen, die von einer Frau kamen, der Wahrheit entsprachen." Ich wusste nur zu gut, was die Männer über Anastasia dachten. Womöglich dasselbe was sie einst auch von mir dachten. Ihnen fiel es stellenweise immer noch schwer, sich nach dem Kommando einer Frau richten zu müssen aber ich gab ihnen erst keine Gelegenheit, meine Autorität in Frage zu stellen.
Leicht nickte ich bei ihren Worten. "Es gibt jedoch einige, die es in betrachf ziehen", antwortete ich, "Ich gebe euch Bescheid, sollte uns jemand den Rücken kehren." Das würde niemand hier gerne sehen und diese Person wurde schnell ein Messer in seinem Rücken wieder finden. Und das nicht nur sprichwörtlich.
"Das scheint mir eine gute Nachricht zu sein. Ich lasse mich doch gerne unterschätzen und diese Märchen verbreiten sich nur unter den wirklichen Schwätzern", sagte ich doch sichtlich amüsiert, "Sie werden sich niemals daran gewöhnen, dass wir Frauen sie übertrumpfen können." Ich hörte, wie jemand den Strand entlang gelaufen kam und sah zurück. Es war nur ein kleiner Junge und ich lächelte leicht. Er kam direkt auf mich zu und überreichte mir ein Stück Papier. Entweder handelte es sich um eine Kopie eines Schriftstückes oder gleich um das Original. Eine Kopie war mir meist lieber, da dies nicht so sehr auffiel. Jedoch konnten die wenigsten Spitzel lesen oder gar schreiben. Dies hatte mir meine Mutter beigebracht. Ich nahm das Schriftstück an und er lief wieder davon.

"Das würde ich begrüßen" antwortete ich auf ihr Angebot. Wir konnten es uns einfach nicht leisten Verräter in unseren Reihen zu haben und noch weniger wollte ich, dass auch meine Crew davon betroffen war. Ich musste mich auf jeden meiner Männer verlassen können, egal was war oder was sie auch von mir denken würden.
Was die Männer im allgemeinen anging, schienen Anastasia und ich dieselben Ansichten zu sein. Seit ich als junges Mädchen auf Nasau angekommen war, hatte ich mit den Vorurteilen zu kämpfen gehabt, die einer Frau entgegengebracht wurden. Wir wären zu schwach zum Kämpfen, taugten nichts für die See und überhaupt wären wir nur zum Kinder gebären nütze. Was mich betraf, hatte ich mit dem Großteil dieser Vorurteile aufgeräumt. Ich hatte das Kämpfen trainiert, hatte alles über die Seefahrt gelernt und hatte jeden Mann zurecht gewiesen, der glaubte ich würde mein Bett mit ihm teilen. Die Skepsis würde nie verschwinden, aber immerhin hatte ich den Respekt erlangt, der mir zustand. "Sie sollten es auch besser nie erfahren." kommentierte ich ihre Aussagen mit einem Lächeln. "Sie würden nur aufmüpfig werden."
Als der Junge angelaufen kam und Anastasia einen Zettel überreichte, machte ich mir nicht die Mühe darauf zu linsen. Ich war kein neugieriger Mensch und wenn es eine Nachricht war, die auch mich betreffen würde, würde Miss Johnson mir sicherlich von selbst davon berichten. So ließ ich einfach meinen Blick auf das Meer gerichtet und wartete ab.
Leicht nickte ich. "Es geht um unser aller Wohlergehen", begründete ich diese Entscheidung. Mein Blick haftete an dem Horizont. Das Meer küsste dort den Himmel, welcher von Minute zu Minute heller wurde. Kurz sah ich zu Captain Sutto herüber. Sie war jünger als ich. Jedenfalls sah sie so aus. Ich hoffte für sie, dass sie nicht in die Hände der Europäer geriet. Wer wusste schon, was dann mit so einer jungen Frau geschah.
"Gehen wir ein Stück?", bot ich ihr an und holte tief Luft.
Leicht schmunzelte ich. "Aufmüpfig werden sie, wenn man sie länger im Lazarett behält. Ihr solltet sie mal hören, wenn es darum geht, wie bereit sie sind für den Kampf", sagte ich amüsiert, "Da möchte ich doch lieber selbst zum Schwert greifen und ihnen zeigen, dass sie nicht so weit sind." Der Zettel verschwand schnell in meinem Korsett. So war er sicher versteckt.

Ich nickte, als sie fragte, ob wir ein Stück gehen sollten. Ich konnte derzeit auch nicht sagen, dass ich irgendetwas anderes vorgehabt hätte. Nassau war noch nicht ganz erwacht, Geschäfte würden erst in ein paar Stunden abgewickelt werden und Zuhause warteten nur Unmengen an Papiere auf mich, die ich bei der nächstbesten Gelegenheit Mr. Bryson zuschieben würde.
Also ging ich mit Miss Johnson am Strand entlang und lächelte bei ihren Worten, die Männer betreffend. "Sie wissen allerdings auch, dass keiner von ihnen zurück an Bord darf, bevor sie nicht vollkommen genesen sind. Ich kann niemanden gebrauchen, der seine Arbeit nicht mit voller Kraft erledigen kann. Sie beruhigen sich schon und werden irgendwann anfangen ihre freie Zeit hier zu nutzen. Wir bleiben vermutlich erst einmal eine Weile."

![]() 0 Mitglieder und 1 Gast sind Online |
![]()
Das Forum hat 204
Themen
und
250
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: Besucherrekord: 107 Benutzer (26.05.2024 18:43). |
![]() | Einfach ein eigenes Xobor Forum erstellen |